I
Die Stadt Jekaterinoslaw hat ihre Entstehung dem Fürsten G. Potjomkin zu verdanken. Der berühmte Günstling der Kaiserin Katharine II. G. Potjomkin brachte die Kaiserin auf der Höhe seines Ruhms und seiner Macht auf die auch damals als dreistig eingeschätzte Idee, die Türken aus Europa zu verdrängen. Das vermochten alle Monarchen Westeuropas zur Zeit der Kreuzzüge im Mittelalter nicht zu erreichen. Potjomkin strebte ein Fenster nach Osten, nach Asien durchzubrechen, wie das einst der Kaiser Peter I. nach Europa durchgebrochen hatte. Katharine II. wurde vom Projekt des Fürsten Potjomkin, den sie für einen genialen Menschen hielt, ganz hingerissen und beschloß, einen ihrer Enkel für den dahingesiechten Thron der byzantischen Kaiser unter dem Namen Konstantin, der an den 1453 Konstantinopel von dem türkischen Heer verteidigten Kaiser Konstantin Palaiologos erinnern sollte, krönen zu lassen.
Für den minderaltrigen Großfürsten Konstantin Pawlowitsch wurde sogar die Griechin Jelena Kordanowa als Amme bestimmt.
Die Medaillen am Gro fursten Konstantin Pawlowitsch.
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Aber der reiche und bezaubernde Osten mit seinem Gold, Porphyren, Myrthen, Palmen, Maulbeerfeigenbäumen war nur in Zukunft, nur in Perspektive. Vorher brauchte man die türkischen Festungen, die am Unterlauf vom Dnepr, an seinen beiden Ufern lagen und den Russen den Weg zum Schwarzen Meer versperrten, zu erobern. Das waren Otschakow, Kysykermen, Arslankermen, Muberekkermen, Kinburn. Gerade dorthin wurden die russischen Truppen geschickt. Zusammen mit den russischen Truppen kämpfte dort vier Jahre 1771-1774 auch das Saporoger Heer. Wie die Saporoger kämpften, sieht man daran, daß dem Saporoger Regimentsführer Afanassij Kolpak und seinem Kosakenrittmeister Jewstafij Kobeljak für die Waffentaten die Goldmedaillen am Andrejband "gnädig verliehen worden waren". Zu dieser Zeit kämpfte auch selbst der Kosakenführer P. I. Kalnyschewskij am Bug.
Der Fursten G. Potjomkin.
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Die Heldentaten der Saporoger wurden auch von der Kaiserin Katharine U. hoch eingeschätzt. An die Saporoger Setsch (Bezeichnung für das Hauptlager des Saporoger Heeres und die Residenz seiner Regierung. In der Geschichte des Saporoger Heeres, 1553-1775, gab es mehrere Aufenthaltsorte für die Saporoger Setsch: Insel Chortiza, Insel Tomakiwka, am Fluß Basawluk u. a.- Übers.) wurde damals ein Gnadenbrief auf den Namen der Kosakenführers Kalnyschewskij geschickt, wo die Kaiserin schrieb: "Nach dem Erhalten eurer Nachricht vom 5. November über euer Eintreffen mit dem Heer in der Saporoger Setsch durfte ich nicht übriglassen, euch, dem Kosakenfünrer und dem sämtlichen Heer, für den uns erwiesenen Dienst während der Otschakowkampagne und den Eifer unser Wohlwollen zu bezeigen. Wir hoffen zweifelsohne, daß dieses lobenswerte und treue untertänige Saporoger Heer auch fernerhin keinesfalls aus unserem Dienst austritt und seine weltberühmten Eifer, Mut und Tapferkeit bezeigen wird, was unser Wohlwollen vergrößert. Den 2. Dezember 1771."
1772 zog das Saporoger Heer samt dem russischen Heer gegen die Tataren und Türken in den Krieg, bezeigten dabei seinen Eifer und Mut. Es zeichnete sich wieder der genannte Regimentsführer mit anderen Regimentsführem und Kosakenältesten aus.
In demselben Jahr 1772 erblickten sie zum erstenmal auch den Fürsten Potjomkin. Zu den Zeiten hatte er den Rang des Generalmajors und diente bei dem 1. Feldheer, dem Grafen Rumjanzew unterstellt, und hatte bei sich mehrere Saporoger Kosaken und Älteste. Einem der Ältesten und zwar Jakow Tronewitsch erwirkte er sogar die Goldmedaille.
Die Goldmedaillen am Saporoger Setsch.
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Die Tapferkeit der Saporoger Kosaken, ihre Kühnheit und Heiterkeit gefielen dem Fürsten Potjomkin derart, daß er beschloß, sich in den Kustschewski Kuren (militär-administrative Einheit in Saporoger Setsch.-Übers.) einschreiben zu lassen. Er wandte sich mit dem Schreiben an den Kosakenführer des Sapofoger Heeres P. I. Kalnyschewskij. Im Schreiben nannte er ihn den gnädigen Vater und ersuchte, indem er Kalnyschewskij seiner Liebe zu dem Saporoger Heer versicherte, ihn in den Kosakenregister einzutragen. "Lassen Sie mich, mein hochgeehrter Herr, ohne Ihre gnädige Vatersantwort nicht. Ihrer Würde Untertan Grygorij Potjomkin. Den 15.April 1772."
Im Rückschreiben des Kosakenführers Kalnyschewskij an den Fürsten Potjomkin hieß es:"Wir hatten die Ehre, das ehrwürdigste Schreiben des hochgeehrten Herrn am glücklichsten Tag zu erhalten, und sind erbötig, Ihrem Gesuch hocherfreut zu folgen. Wir senden Ihnen, Ihrem Gesuch folgend, das Attest (Bescheinigung über die Eintragung in den Kosakenregister) über den Kameraden des hiesigen Heers, aus dem Kustschewski Kuren, mit unserer Gratulation und ersuchen Sie ergebenst, das Saporoger Heer ohne Ihre Gnade auch in Zukunft nicht zu verlassen. Den 25. Mai 1772."
Der Fürst Potjomkin schrieb zurück: "Ihr Attest nahm ich über Wassilij Tschernjawskij mit herzlichem Dank in Empfang, meinerseits ersuche ich Sie, auch mein Geschenk wohlwollend in Empfang zu nehmen, das ist der erste Beweis für meinen Eifer, den ich erbringe, bis sich ein geeigneter Augenblick bietet, zu zeigen, was ich bin. Dem gnädigen ehrwürdigen Herrn untertäniger Diener Grigorij Potjomkin".
Es war ein Brauch unter den Saporoger Kozaken, jedem, der sich in das Saporoger Heer eintrat, einen neuen Spitznamen zu geben. Die Saporoger hängten dem Fürsten Potjomkin den Namen Netschossa (Ungekämmter) an, das war eine Anspielung auf die Perücke, die Potjomkin nach der damaliger Mode trug. Es bleibt dahingestellt, verstanden die Saporoger nicht, daß es eine Perücke ist oder verstellten sie sich, daß sie das nicht verstehen, aber Potjomkin wurde "Ungekämmter Grizko" genannt.
Die Kriegshandlungen gegen die Türken dauerten noch an, die Saporoger waren 1773 bei Otschakow und Kinburn unter dem Kommando des schon erwähnten tapferen und kühnen Regimentsführers Afanassij Kolpak.
Bei Otschakow am 1774.
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Im nächsten Jahr 1774 war der Regimentsführer A. Kolpak zuerst bei Otschakow, dann wurde er nach Perekop zu Kolontschak versetzt. Er handelte überall mit großem Erfolg, schlug die Türken aufs Haupt. In demselben Jahr erhielt das Saporoger Heer die erfreuliche Nachricht, daß der Fürst Potjomkin im majestätischen Erlaß als Generalgouverneur des Neurußländischen Gouvernements und Oberster Kommandeur des dort untergebrachten Heeres eingesetzt wurde. Die Saporoger waren über diese hohe Einsetzung ihres Kameraden erfreut und erwarteten von ihm viele Güter.
In demselben Jahr lief eine andere Nachricht ein: in der Nacht vom 21. zum 22. Juli traf ein Bote aus der Hauptquartier des Grafen Rumjanzew im Dorf Küdschuk-Kainardschi ein und brachte eine erfreuliche Nachricht darüber, daß die zwei Reiche, Rußland und die Türkei, einen ewigen Frieden am 10. Juli schlössen.
Die company am 1774.
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Der Fürst W. M. Dolgorukij, der gegen den Krimer Chan handelte und jetzt sein Heer ins Vaterland abkommandierte, sendete zum Abschied von den Saporoger an den Kosakenführer P. I. Kal-nyschewskij die Anordnung folgenden Inhalts: "Nach dem Schluß des Friedens auf ewige Zeit mit Ottomanenporta empfehle ich Ihnen, Herr Kosakenführer, und Ihrem ganzen Saporoger Heer, für Ihren Eifer und Mut im Krieg gegen die Türken Dankbarkeit bekundend, sich nach dem Erhalten des Schreibens unverzüglich in Ihre Dörfer zu begeben, das Heer sowie die Infanterie am unteren Lauf des Dneprs zu entlassen."
Die Furst W. M. Dolgorukij
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Über den Regimentsführer Afanassij F. Kolpak schrieb der Fürst W. M. Dolgorukij an den Kosakenführer extra: "Ich muß zu dem eifrigsten Ältesten im Dienst Ihrer Majestät gerecht sein und ihm für seine Heldentaten und sein gutes Verhalten den Lob erteilen. Perekop, den 24. August 1774."
So war der schwere und dauernde russisch-türkische Krieg zu Ende. Die dabei sehr aktiv und unmittelbar mitgewirkten Saporoger durften mit Recht mit einer Gunst von der Kaiserin und der Aufmerksamkeit von sehen des durchlauchtigsten Fürsten Potjomkin, ihren Kurenkameraden, rechnen. Sie täuschten sich aber gründlich in ihren Erwartungen. Nach dem Schluß des russisch-türkischen Krieges brauchte sie weder die Kaiserin, noch Potjomkin. Es war kaum ein Jahr vorbei, da sprach man mit ihnen schon eine andere Sprache. Es stellte sich heraus, daß sie die den kaiserlichen Erlässen nicht folgenden Räuber, Plünderer, Mörder seien. "Sie führten zuerst das ledige, müßige und unbekümmerte Leben, dann begannen sie Ackerbau zu treiben und damit machten sie sich vom Thron unabhängig und suchten inmitten des Vaterlandes ein gar und ganz unabhängiges, nur selbst zu verwaltendes Gebiet zu gründen."
Die Kaiserin Katherine II.
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Was lag dieser plötzlichen und unerwarteten Wende in den Ansichten Katharine II. über die Saporoger zugrunde? Die Gründe sind selbst aus dem Erlaß der Kaiserin zu ersehen. Vor allem sei es gesagt, daß die Saporoger Setsch in seiner Art ein Staat im Staat war. Ein Staat ohne Kaiser, ohne Bojaren, ohne Kanzlisten, ein Staat, der kein Joch der Leibeigenschaft duldete. Die Saporoger bezeichneten alle seinen Ländereien als Sonderrechte und äußerten sich über sich selbst so:"Wir sind froh, da wir kein Dach über uns haben", d. h. wir leben fröhlich, da wir keinen Druck von oben erfahren. Im weiteren könnte die freie Saporoger Setsch unter günstigen Bedingungen zum Kern einer solchen freien Volksverwaltung werden, wie es einmal in den Freistädten Nowgorod und Pskow war und was Moskau eine lange Zeit bekämpfen mußte. Konnte aber Katharine II. eine solche Volksverwaltung in Rußland dulden, die Kaiserin, die die Adligen mit ihrem Leibeigentum sozusagen überproduzierte und vom Volk die Kaiserin für die Herren genannt wurde? Für eine solche Kaiserin war die Saporoger Setsch ein dunkler Flecke im Auge.
Das war der erste Grund, warum Katharine II. für nötig hielt, die Saporoger Setsch zu ruinieren.
Es gab auch einen anderen Grund.
Jahre- und jahrhundertlang gegen die Tataren, Türken und Polen kämpend gaben sich die Saporoger hauptsächlich von den Kriegsbeuten zufrieden und beschäftigten sich wenig mit dem eigenen Land und Boden. Jetzt, nach dem Schluß 1774 des ewigen Friedens mit der Türkei mußte das Saporoger Heer in eigen Brot kommen. Da brauchte man von der Kriegsordnung allmählich zum Ackerbautreiben überzugehen. Darüber wurden sich die wohldenkenden "Väter" der Saporoger Setsch mit dem klugen und weitsichtigen Kosakenführer P. I. Kalnyschewskij an der Spitze klar. Unter dem Einfluß der besonnenen Heeresältesten vertauschten die Kosaken ihre Säbel mit den Pflügen und trieben immer eifriger Ackerbau. Gerade das beunruhigte die Kaiserin Katharine II.
Auch die Ländereien selbst mit ihren unerschöpflichen Naturschätzen, ihren Fischflüssen Dnepr, Bug u. a., mit ihren weiten Steppen, üppigen Weiden konnten von den rußländischen Adligen-Sklavenhaltern nicht unbedacht bleiben. Sie waren schon lange auf die Saporoger Ländereien erpicht und versuchten der Kaiserin einzublasen, die Saporoger Setsch zu ruinieren und die Ländereien dem Adel zu schenken.
Den Anlaß zur Ruinierung der Saporoger Setsch gaben unendliche Klagen der Ausländer bei der Kaiserin über die Saporoger. Diese Ausländer wurden noch zur Zeit der Kaiserin Elisabeth (Jelisaweta Petrowna) nach Rußland berufen und besiedelten die Grenzgebiete der Saporoger sonderrechtlichen Ländereien im Osten und Westen. Im Westen legten sie die Stadt Jelisawetgrad und im Osten die Stadt Lugansk an. Das waren Bulgaren, Rumänen, Ungarn, Serben, die hier Neuserben und Slavenserben genannt wurden. Sie preßten die Saporoger von zwei Seiten so zusammen, wie ein Kriechtier den riesigen Menschen mit seinen Ringen zusammendrückt.
Die Saporoger Setsch am XVIIIs.
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Ungenaue Abgrenzungen zwischen den Bodenstücken der Eingewanderten und der Saporoger Ländereien riefen oft Streitigkeiten hervor, die Schlägereien und sogar Totschläge beiderseits als Folge hatten. Um ihre Sonderrechte zu schützen, sendeten die Saporoger immer wieder Klageschreiben in die Metropole. Vermagen sie, kleine Leute, gegen solche großen Männer wie Chorvats, Miloradowitschs, Depreradowitschs, Schewitschs u.a., die nach dcr~ Einwanderung bald Ländereien, Ämter und den Zugang zum Kaiserthron hatten, einen Sieg davon tragen? In der Metropole hielt man die Saporoger für wilde Leute, Räuber, Mörder, die einer politischen Strafe unterliegen sollen.
Das brachte dazu, daß die Saporoger Setsch am 4. Juni 1775 vernichtet wurde.
Vor der Stadt, vor Jalissawet weg
Flogen graublaue Aare,
Und in Moskau, im Verhandlungshaus
Überlegten da die Herren Senatoren,
Große Generäle, Obersten hin und her.
Sie machten sich Gedanken darüber,
Wie sie es so machen können,
Daß sie die Saporoger aus der Steppe verjagen,
Den Saporogern alle Ländereien abnehmen.
So nahmen die Herren den Saporoger Landboden weg
Und begannen den Boden untereinander zu teilen.
Die Saporoger sattelten krähenschwarze Pferde
Und liefen davon unter die Türken.
Nach dem Fall der Saporoger Setsch wurde die Verwaltung im neurußländischen Gebiet dem Generalgouvemeur Fürsten Potjomkin auferlegt.
Womit begann er?
Er begann mit der Verteilung der Saporoger Ländereien unter den eingewanderten Ausländern und zwar ausschließlich unter den Herren... "Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand", wiederholten die Saporoger die Worte des Psalmsängers, indem sie ihre Heimatdörfer bitter weinend verließen.
Die ehemaligen Saporoger Ortschaften werden nicht mehr Saporoshje genannt, sondern Provinz Slawjansk und Provinz Cherson. "Der Ort, wo früher die Saporoger Setsch war, ist ab jetzt mündlich und schriftlich als die Stadt Pokrowsk zu bezeichnen. Die ehemaligen Kurens mit allen Anbauen sind ab jetzt als staatliche Kasernen für die Einquartierung zu bezeichnen. Demzufolge sind auch die auf dem Markt dazu gehörenden Läden, Schankwirtschaften mit Eiskellern, wieviel es sei, als staatliche zu halten. Sie können vermietet werden, deshalb gehört der Ertrag davon bis auf weitere Anordnungen in die Kronskasse."
Um die Saporoger Ländereien unter den Herren verteilen zu können, brauchte man eine genaue Karte der Gegend. Der Fürst Potjomkin schrieb deshalb dem Generaloberleutnant Pjotr Tekelij vor, unverzüglich dem Generalgouverneur Neurußlands W. M. Muromzew zu befehlen, eine ausführliche Karte der Saporoger Setsch und ihrer ehemaligen Ländereien entwerfen zu lassen. Falls dafür erfahrene Offiziere fehlen, sollten die Offiziere aus der Armee des Herrn Nefedjew gefordert werden.
Nach dem Erhalten dieses Befehls des Fürsten Potjomkin beauftragte seinerseits Generalmajor W. M. Muromzew den Division-Quartiermeister Fjodorow, vom Platz der ehemaligen Saporoger Setsch längs des rechten Dneprufers runterzukommen und sich unterwegs darauf aufmerksam zu machen, ob es auf den Dneprinseln einen Wald, Sträucher oder Röhricht gibt, welche Flüßchen in den Dnepr münden. Am linken Dneprufer sollte Oberst Missjurew runterkommen.
Die Saporoger Setsch.
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Es ist unbekannt, ob eine solche Karte der Saporoger Setsch und ihrer Ländereien entworfen wurde. Es ist nur bekannt, was in dieser Hinsicht von dem Obersten Pjotr Norow gemacht wurde. Noch zu Zeiten der Saporoger Setsch gehörte ihr das sogenannte Retranchement von Nowosetsch an, wo eine aus zwei Kompanien bestehende Garnison untergebracht wurde. Als an Stelle der Setsch die Stadt Pokrowsk entstand, wurde der Oberstleutnant des higermanländischen Regiments Pjotr Norow auf Vorschlag des Generalmajors W. M. Muromzew zum stellvertretenden Kommandanten der Stadt Pokrowsk eingesetzt. Norow sammelte 1775 genaue Angaben über große Dörfer und Winterhütten in den ehemaligen sonderrechtlichen Ländereien der Saporoger Kosaken und führte in den Dörfern das Amt des Aufsehers ein. Was für Angaben das waren, blieb auch dahingestellt.
Es ist nicht geklärt, wann die Verteilung der Saporoger Ländereien nämlich anfing: im Jahr, als die Setsch fiel, d.h. 1775, oder im nächsten Jahr. Die überlieferte "Liste der Vergabe der Grundbesitze an Gutsherren im Kreis Jekaterinoslaw " ist mit dem Jahr 1776 datiert. Man muß sagen, daß Hochrangige größere Grundstücke und Kleinrangige kleinere Grundstücke bekamen.
In eine Hand bekam man Grundstücke von 500, l 000, l 200, 8 000, 10 000, 15 000, 20 000, 21 000 Desjatinen (l Desjatine entspricht 1,09 Hektar.-Übers.). Der Generalstaatsanwalt Fürst A. A. Wjasemskij und der Generalfeldmarschall Fürst A. A. Pro-sorowskij erhielten je 100 000 Desjatinen.
Wieviel Land und Boden der durchlauchtigste Fürst G. A. Potjomkin in Besitz nahm, ist es unbekannt. Man weiß nur, daß er 1788 an den Jekaterinoslawer Gouverneur W. W. Kochows-kij die Verordnung folgenden Inhalts schickte: "Im vorigen Jahr 1787 gab man dem Jekaterinoslawer Statthalteramt die Anregung, von mir l 100 Desjatinen Land und Waldstücke im Kreis Alexandria, Bezirk Glinka am Oberlauf der Flüße Beressowka und Makaricha, die im Besitz der Krone sind, an Marina Ossipowna Naryschkina. die Ehefrau des ordentlichen Geheimrates Oberstallmeisters und Kavaliers L. A. Naryschkin zu vergeben. Da bis jetzt von ihr kein Beauftragter mit der rechtmäßigen Vollmacht für die Besitznahme des Waldes und des Landes geschickt wurde und diese Ländereien kein Gewinn für die Krone erwirtschaften, verordne ich hiermit Euer Exzellenz, mir das Recht auf die genannten Land- und Bodenstücke vorzubehalten, sie formal abzugrenzen und mir den Bodenplan und eine rechtmäßige
Urkunde über den ewigen Erbbesitz von dem Land und Boden auszufertigen."
Am 21. Januar 1789 schrieb der Fürst Potjomkin an das Jekaterinoslawer Kammerkollegium wie folgt: "Im vorigen Jahr 1788, als ich im Besitz vom Dorf Samotkan war, wo es nach der letzten Revision 229 männliche leibeigene Seelen, 190 weibliche Seelen, insgesamt 419 Seelen kleinrußländischer Abstammung gab, schenkte ich sie dem verstorbenen Herrn Generalmajor und Kavalier Iwan Maximowitsch Sinelnikow in seinen ewigen Erbbesitz, und übergab das Bodenstück mit allen Bauten und Ausstattung und auch die auf meinen Namen in Jekaterinoslawer Statthalterschaft erworbenen Dörfer mit allen übrigen dem Kronsamt.Da diese Bauern von Sinelnikow in seine Dörfer versetzt wurden, die sich in den Kreisen Jekaterinoslaw und No-womoskowsk befinden, ersuche ich das Jekaterinoslawer Kammerkollegium, die genannte Anzahl der Seelen aus der Liste des Dorfs Samotkan zu streichen und sie in die Liste der dem verstorbenen Generalmajor und dem Kavalier Sinelnikow gehörenden Dörfer aufzunehmen, wohin sie versetzt und angesiedelt wurden, und die genannten Seelen für Eigentum seiner Erben zu halten."
Es bestand eine spezielle Kommission für die Vergabe von Land. Die Kommission war nur für die Vergabe der Landbesitze an die Adligen zuständig, die Bauern und die Einhofwirte bekamen das Land nicht. Das Land erhielten sowohl große Herren, als auch kleine Beamte, Kollegienregistratoren, Sekundar-majore, Archivisten. Alle, die das Land zugeteilt bekamen, wurden von allen Steuern und Abgaben auf 10 Jahre befreit und erst nach 10 Jahren sollten sie je "5 Gelder", d.h. je 2 Kopeken pro eine Desjatine in die Kronskasse zuzahlen. Derjenige, der auf dem zugeteilten Land von l 500 Desjatinen 13 Höfe anzusiedeln vermag, wurde zum Eigentümer des Landes und durfte es an eine beliebige Person verkaufen oder versetzen. Das betraf nicht nur die Russen. Das Land wurde auch verschiedenen Fremdlän-dem zugeteilt, wenn sie die russische Staatsbürgerschaft annahmen und einen Eid leisteten.
Die russische Regierung begann die ausländischen Kolonisten zur Einwanderung nach Rußland aufzufordern, für die Ausbreitung des Handels und des Unternehmens, wie es im Manifest der Kaiserin Jelisaweta Petrowna hieß. Aber Jelisaweta Petrowna, die die Deutschen nicht mag, siedelte in den Grenzgebieten der Saporoger sonderrechtlichen Ländereien nur die sogenannten "Slaven" an. Unter Katharine II. setzte in diese Ländereien ein reger Strom von Fremdländern verschiedener Nationalitäten, vor allem aber Deutschen. Hier waren Bulgaren, Griechen, Georgier, Armenier, Kalmyken, Deutsche, Moldauer, Walachen, Juden.
Als erste kamen 1776 Bulgaren aus Silestra und besiedelten die drei Flüße namens Taschlyk und Flüße Wys und Welikij Ingul, und dann ließ sich 1801 ein Teil der Bulgaren am Dnepr nieder.
Später, 1778 kamen in die ehemaligen Saporoger Ländereien so genannte Krimer Griechen, das waren Nachkommen der Goten, die auf der Krim noch davonkamen, und dann die richtigen Anatoliengriechen und die Griechen von der Insel Minorca. Allein die Krimer Griechen zahlten über 20 000 Personen. Sie legten 20 Siedlungen an den Flüßen Kalmius, Kaltschik und Kalka und auch an der Nordküste von Azow an. An der Nordküste von Azow gründeten sie eine Stadt und nannten sie der Gottesmutter Maria zu Ehren Mariupol. Die Griechen von der Insel Minorca siedelten sich im südlichen Grenzgebiet der ehemaligen Palanka Samara (Palanka - Festung mit anliegenden Territorien; die Saporoger Ländereien teilten sich in acht Palanken ein.- Übers.), jetzt Kreis Pawlograd, an. Man gab ihnen Brotgetreide, Vieh und Geld für erste Anschaffungen aus.
Der Urkunde vom 14. November nach wanderten im Jahre 1779 Griechen, Georgier, Armenier der grigorianischen und katholischen Kirchspiels, geleitet vom Mitropolit Ignatij, Archi-mandrit Margos und Pater Jakob, in die Saporoger Ländereien ein. Das kostete der russischen Regierung 250 000 Rbl. Die Anzahl der Einwanderer beider Geschlechte machte 31 386 Seelen aus. Die armenischen Einwanderer, die vom Pater Jakob im Vorort von Jekaterinoslaw I angesiedelt wurden, siedelten nach einigen Jahren, als auf der Krim der Friede eintrat, in die Stadt Karassu-basarum.
1782 wurden in die ehemaligen Saporoger Ländereien, dann in die Statthalterschaft Jekaterinoslaw die Kalmyken, 459 männliche und 439 weibliche Seelen, aus den Uralsteppen umgesiedelt.
1786 kamen die ersten deutschen Kolonisten, um deren Werbung sich besonders der Fürst Potjomkm und KaLharine II. selbst bemühten. Den Deutschen wurden die besten Bodenstücke irri Kreis Jekaterinoslaw, Alexandrowsk, Nowomoskowsk zugeteilt. Graf Rumjanzew-Sadunajskij wurde im Ausland zur Zeit des Siebenjährigen Krieges auf die in Preußen, vor allem bei Danzig und Elbing, wohnenden Mennoniten aufmerksam, die als gute Viehzüchter guten. Als Graf nach Rußland zurückkehrte, berichtete er darüber der Kaiserin Katharine II. Man verstand, daß die sich immer vermehrenden Familien der Mennoniten in Westeuropa immer weitere und fruchtbarere Bodenstücke brauchen. Als Bote der russischen Regierung wurde Kollegienrat Trappe geschickt. Er hatte von der russischen Regierung den Auftrag, die Mennoniten zur Einwanderung nach Rußland und zwar in das weite und steppenreiche Neurußländische Gebiet aufzufordern. Die Mennoniten trafen mit der russischen Regierung eine vertragliche Absprache. 1786 kamen 500 Männer und 400 Frauen, 1789 kamen noch 228 Familien nach Neurußland.
Zu Anfang wurden die Einwanderer am Fluß Konka angesiedelt, später bekamen sie je 65 Desjatinen Land pro Seele auf der Insel Bolschaja Chortiza (Großchortiza) und am rechten Dneprufer, etwas flußaufwärts. Hier gründeten die Einwanderer 8 Kolonien, die als Chortizaer Kreis bezeichnet wurde. 1790 erlaubte man ihnen gemäß der Order vom 23. Juni des Fürsten Potjomkin zwei kleine Kirchen aus der Stadt Nowomoskowsk, wo sie sich vorher niedergelassen hatten, herzubringen. Diese Kirchen gehörten den von dort umgezogenen Griechen und Armeniern, als selbst die Bezeichnung Jekaterinoslaw I verschwand und an Stelle dessen 1789-1790 die Kolonie Josefstal entstand. 1793 kam die nächste Partie der deutschen Einwanderer mit 273 Seelen beider Geschlechte. Sie siedelten sich anfangs in Staryj Kodak (Altkodak) an, dann gründeten sie den Dorf Jamburg, 17 Wersta (l W entspricht 1,067 km.- Übers) von der Stadt Jekaterinoslaw entfernt.
1788, 1789 und 1792 kamen 159 Moldauer aus den verwüsteten Dörfern Slobodseja und Karatatsch, 31 Walachen aus Korotnaja und 25 Bauern aus Jaska, insgesamt 215 Seelen im Jekaterinos-lawer Gouvernement an. 1792, schon nach Fürsten Potjomkins Tod, schrieb Katharine II.: "Den moldauischen Bojaren, die unsere Staatsbürgerschaft erwarben und dort (d. h. in Neumßland) Land erhielten, gebührt eine besondere Achtung."
1793 wanderten in die ehemaligen Saporoger Ländereien auch die Juden ein, denen die Kaiserin Elisabeth auf alle Art und Weise an der Einwanderung hinderte. Zur Zeit der Kaiserin Katharine II. trafen sie in Neurußland nach der zweiten Teilung Polens ein, als an Rußland Belorußland, Südrußland außer dem westlichen Teil von Wolynien fielen.
Alle ausländischen Einwanderer bekamen 250 000 Rbl. aus der Kronskasse für erste Anschaffungen.
Außer den ausländischen Einwanderern wurden in die ehemaligen Saporoger Ländereien auch die Bauern aus Großrußland umgesiedelt. So wurden die staatlichen und verstaatlichten Bauern aus den großrußländischen landarmen Gouvernements auf Kronskosten umgesiedelt. Die Gutsherren, die den Landbesitz in Neurußland erhielten, versetzten oft die Bauern aus ihren eigenen großrußländischen Erbgütern dorthin. Den Altgläubigen erlaubte man auch, sich am Unken Dneprufer, wo der Fluß Belosjorka in den Dnepr mündet, anzusiedeln. Dort gründeten sie den großen Dorf Belosjorka. Man erteilte auch verschiedenen Sektierern wie Duchoborzen (Geisteskämpfer) u.a. die Erlaubnis, sich dort anzusiedeln. Manchmal wurden auch die Täter nach der Bestrafung nach Neurußland ausgewiesen.
Bis 1784 vergab man insgesamt ca. 4 470 302 Desjatinen in den Saporoger Ländereien.
II
Gleichzeitig mit der Vergabe der Saporoger Ländereien legte man in Neurußland neue Städte wie Cherson, Jekaterinoslaw, Nikolajew u.a. an. Alle Städte sollten weit und breit sein. Von allen Städten sollte sich aber die Stadt Jekaterinoslaw auszeichnen, da sie die Kaiserin Katharine II. verherrlichen und ihrenNamen verewigen sollte. Für Jekaterinoslaw wurde zuerst die Ortschaft an der Mündung des Flusses Kutschen in den Fluß Samara, den linken Nebenfluß vom Dnepr, bestimmt, wo das Dorf Loschakowka lag, anders gesagt - 3 Wersta aufwärts vom Starasamaraer Retranchement oder der Festung Bogoro-dizkaja, heute 5 Wersta flußaufwärts von der Samaraer Eisenbahnbrücke. Die Stadt wurde 1777 vom Gouverneur W. A. Tschert-kow angelegt, nach dessen Meinung sich diese Ortschaft als ein guter Anlegeplatz für verschiedene Dampfer eignete.
Jekaterinoslaw I am 1775.
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Am 10. Mai 1778 wurde hier vom Erzpriester Jewgerüj Bulgaris die Gedächtniskirche zur Erinnerung an die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Apostel angelegt, die von den Kronsleuten und aus dem Kronsholz gebaut und am 14. Oktober fertiggebaut wurde. Anfang Juli desselben Jahres siedelte der Gouverneur W. A. Tschert-kow mit allen Abteilungen der Azowschen Gouvemementskan-zlei in die neue Stadt um.
1782 zählt die Stadt Jekaterinoslaw 2 194 Einwohner, hatte vier Kirchen t- russische, griechische, katholische und armenische, es gab zwei Lehranstalten für die Kinder der Adligen und der Rasnotschinzen (Bez. einer Gruppe russ. Revolutionäre im 19. Jh., die vorwiegend dem Kleinbürgertum entstammten.-Übers), in denen russische Grammatik, Katechismus, Deutsch, Französisch, Türkisch, Arithmetik, Geometrie, Geschichte, Instrumental- und Vokalmusik gelernt wurden. Um in die Stadt Handelsleute heranzuziehen, wurden vier Jahrmärkte eröffnet. Außerdem erlaubte man sonntags Basare zu veranstalten, da kamen nicht nur die im kreis Wohnenden, sondern auch die Händler vom Krimhalbinsel.
Die Architekt M. F. Kasakow.
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Im März 1783 wurde der zu seiner Zeit sehr berühmte Architekt M. F. Kasakow auf Befehl der Kaiserin in die neue Stadt geschickt. Er sollte zur Verfügung des Fürsten G. Potjomkin gestellt werden. Kasakow begab sich mit seinem Helfer Iwan Jegotow nach Jekaterinoslaw, der andere Helfer, Fähnrich Poliwanow, wurde von ihm beauftragt, das Kommando über die gebliebenen Architekten zu übernehmen und über die ihm früher anvertrauten Arbeiten Aufsicht auszuüben. In Jekaterinoslaw hielt sich Kasakow bis zum Dezember desselben Jahres auf, dann wurde er wegen der Krankheit wieder nach Moskau geschickt. Während seines Aufenthaltes in Jekaterinoslaw wirkte Kasakow sehr aktiv bei der Bebauung der neuen Stadt mit. Jedoch erwies sich die vom Gouverneur W. A. Tschertkow ausgewählte Platz als nicht geeignet für eine Wohnstätte: diese Gegend wird stets von den Wassermassen im Frühling überschwemmt; die Frühlingsgewässer hinterließen stagnierende Sümpfe, die unheilvoll auf die Gesundheit der Menschen wirken. Der Fluß Samara war kaum befahrbar, nur sehr kleine Handelsschiffe konnten an der Stadtufer anlegen,
für große Dampfer eignete sich die Ufer als Anlegeplatz überhaupt nicht.
Jekaterinoslaw I am 1783.
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Über diese Mängel der Lage der Stadt wurde die Metropole verständigt. Daraufhin wurde der Stabsarzt Schönvogel für die Besichtigung der Stadt und die Untersuchung ihrer Umgebung nach Jekaterinoslaw abkommandiert. Nach seiner Ankunft in Jekaterinoslaw untersuchte Schönvogel die Stadt und machte seinerseits auf alle Mängel der Stadtlage und die für die Gesundheit der Menschen schädliche Gegend aufmerksam.
Dann verordnete man, die Stadt Jekaterinoslaw I auf eine höher gelegene Gegend am Retranchement Bogorodizkij zu verlegen, was auch am Altsamara lag, und sie als die Kreisstadt Nowo-moskowsk zu bezeichnen. Die Stadt richtete sich an Stelle der Slobo-da (Großdorf) Nowoseliza ein und verleibte in sich diese Slobo-daein.
Inzwischen ordnete Katharine II. mit ihren Erlässen vom 30. März 1783 und vom 22. Januar 1784 an, ^n^Stelle des ehemaligen Neurußländischen und des ehemaligen Azowschen Gouvernements die Statthalterschaft Jekaterinoslaw mit 15 Kreisen zu schaffen und setzte Generaloberleutnant T. I. Tutolmin als Statthalter ein. Sie schrieb vor, die Gegend für Stadt Jekaterinoslaw II. am rechten Dneprufer zu wählen, dort, wo seine Durchlaucht Generalgouvemeur von Jekaterinoslaw, Saratow und Astrachan Fürst G. A. Potjomkin bestimmt.
Der Fürst Potjomkin wählte den Platz für Jekaterinoslaw am rechten Dneprufer, dort, wo die Saporoger Sloboda Polowiza lag, zwischen den Sloboden Nowyje (Neue) und Staryje (Alte) Kodaki. Er setzte den Generaloberleutnant T. I. Tutolmin ab und setzte statt ihn den Brigadier, später Generalmajor I. M. Sinelnikow ein. Sinelnikow sollte sich zeitweilig wie auch der Vorstand der Statthalterschaft und alle Amtsstellen in der Stadt Krementschug aufhalten.
Der Erlab der Kaiserin uber Grunding der Gouvernementsstadt Jekaterinoslaw.
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Am 23. September 1786 schrieb der Fürst Potjomkin an I. M. Sinelnikow: "Wegen der mangelhaftigen Lage der heutigen Stadt Nowomoskowsk (gemeint Jekaterinoslaw I), die, da sie tief gelegen ist, oft von den Dneprgewässern überschwemmt wird, was den Bewohnern Schaden zufügt und andere von dem Gedanken, sich dort anzusiedeln, abbringt, empfehle ich Eurer Exzellenz, diese Kreisstadt in eine höher gelegene Gegend, ans Retranchement Bogorodizkij zu verlegen. Die Kaufleute, die da wohnhaft sind, dürfen selbst entscheiden, wo sie sich ansiedeln-dort oder im neuen Jekaterinoslaw. Die Gerichtsämter sollen in Nowomoskowsk, in der neuausgewählten Gegend eingerichtet werden. Die dort wohnenden Armenier sollen in diese Gouvernementsstadt umgesiedelt werden, indem man ihnen Hilfe von Seiten der Krone zugeteilt werden soll. Die sich dort, in Nowomoskowsk, befindenden Krons-bauten, außer den für die Gerichtsämter der Kreisstadt notwendigen Bauten, die dem Retranchement Bogorodizkij zugeschrieben werden sollen, sind zu Jekaterinoslaw zuzählen. Diejenigen, die nicht mehr nötig sind, sollen versteigert werden."
Aus dieser Anordnung ist es unter, anderem zu sehen, daß der Fürst Potjomkin die mangelhafte Lage Jekaterinoslaws I auch vorher nicht überblickte.
Am 10. Oktober 1786 schrieb der Fürst Potjomkin an den Jekaterinoslawer Statthalter I. M. Sinelnikow wieder: "Dem Jekaterinoslawer Kollegiumskammer gebietend, Eurer Exzellenz 200 000 Rbl. für die Einrichtung der Gouvernementsstadt Jekaterinoslaw auszugeben, verordne ich Euch unverzüglich nach dem Empfang der genannten Summe in der Nähe der von mir für die Stadt bestimmten Stelle, wo sich jetzt das Dorf Polowiza befindet, Materiale zu beschaffen und Vorräte anzulegen. Eure Exzellenz, suchen Sie gleich nach den Meistern und Arbeitsleuten, damit keine Hindernisse für die Ausführung der Arbeiten in dieser neuen Stadt, die den Namen unserer Großen Kaiserin rühmen soll, entstehen."
Indem der Fürst Potjomkin die Gelder für die Bebauung der Stadt Jekaterinoslaw ausgab, bestimmte er in seiner Anordnung vom 10. Oktober 1786 das Verpflegungsgeld für den Statthalter I. M. Sinelnikow selbst in Höhe von 250 Rbl. monatlich.
Wie sollte Jekaterinoslaw sein, sieht man aus der Beschreibung der Stadt, die von dem Fürsten Potjomkin eigenhändig geschrieben und von ihm der Kaiserin Katharine II. vorgestellt wurde: "Indem ich die Projekte der Bebauung der Stadt Jekaterinoslaw zu den heiligen Füßen Eurer Majestät niederlege, unterstehe ich mich, um alle Einkünfte des Gouvernements, die nach den ausgegebenen Summen blieben, für die Ausführung der genannten Projekte zu ersuchen. Dieser Teil Ihres Reiches, der noch sehr jung ist, unterhält alle Amtsleute und Ausgaben in der Statthalterschaft, zahlt die bewilligten drei Millionen für den Bau der Festungen auf der Tauris aus, der Rest sollte noch für die Errichtung der berühmten Stadt ausreichen. Allergnädigste Herrin, wo sollte anders als in dem Lande, das Eurem Ruhm gewidmet ist, eine Stadt mit prachtvollen Bauten sein. Und deshalb nahm ich mir vor, die Projekte zu entwerfen, die des hohes Namens dieser Stadt würdig sind. Zum ersten, stelle ich mir ein prächtiges Gotteshaus vor, das der Verwandlung des Herrgottes gewidmet ist, als Zeichen dafür, daß dieses Land dank Ihrer Obhut von den fruchtlosen Steppen zu einem reichen Garten, von einer Gegend, wo nur Tiere hausen, zu der wohlgesinnten Zufluchtstätte für die Menschen aus aller Welt wird.
Markt- und Gerichtshöfe ähnlich den alten Basiliken, zur Erinnerung an Ihre nutzbringenden Weisungen. Bänke im Halbkreis nach Art von Propyläen oder Eingangstor der Akropolis von Athen mit einer Börse und einem Theater in der Mitte. Zarenpalast, wo auch der Gouverneur seine Residenz hat, in Art von griechischen und römischen Bauten, mit einer prachtvollen und geräumigen Vorhalle in der Mitte. Erzbistumsitz bei der Preobrashenskij-Kathedrale (Kathedrale zu Ehren von Christi Verklärung), mit dem Konsistorium und der geistlichen Schola. Da dieses Gouvernement dem militärischen Zweck dient, soll hier Fürsorge für verdiente hochbetagte Krieger getroffen werden - ein Feierabendheim mit möglichen Annehmlichkeiten und gebührender Pracht. Wohnsitz des Gouverneurs, des Vize-Gouverneurs, Adclshaus und Apotheke. Tuchweberei und Seidenspinnerei. Universität rnit der Akademie für Musik. Für alle diese Bauten sind verschiedene Vorräte reichlich angelegt."
I. M. Sinelnikow
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Der Jekaterinoslawer Statthalter I. M. Sinelnikow beeilte sich, nachdem er die Anordnung über die Verlegung der ehemaligen Stadt Jekaterinoslaw I und ihrer Umbennenung in Nowomoskowsk erhalten hatte, den Befehl des Durchlauchtigsten zu befolgen. Die Stadt Nowomoskowsk wurde damals im Volksmunde wie auch in allen Papieren Samara, Samartschuk, Samartschik, Nowoseliza, Nowosjolowka genannt. Die ersten Bewohner von Nowoseliza stammten aus der nahegelegenen Stadt Altsamara, wo das Hauptlager des russischen Heeres untergebracht wurde. Gerade in dieses Nowoseliza wurde das ehemalige Jekaterinoslaw I verlegt und Novomoskowsk genannt. Dort wurde 1787 die sechsstimmige Duma (Stadtrat) eröffnet. Ein Teil der Bewohner des ehemaligen Jekaterinoslaw I siedelte an den rechten Dneprufer, ins Dorf Nowyj Kodak um, ein Teil ging ins Schwarzmeergebiet. Das hinterlassene Land wurde an die deutschen Kolonisten vergeben, die dort 1789-1790 zwei Kolonien Josefstal und Kronsgarten gründeten.
So fängt das Dasein der Stadt Jekaterinoslaw II oder der wahren Stadt großer Hoffnungen und Ruhms, die den Namen der Kaiserin Katharine II. verewigen sollte, an. Für die Bebauung der Stadt brauchte man viele Arbeiter, verschiedene Meister, Auftragnehmer, Techniker etc., aber eine Unterkunft für sie gab es in der entstehenden Stadt nicht und es konnte nicht geben. So sollten diese Leute in dem von der zukünftigen Stadt nicht weit liegenden Dorf Nowyj Kodak untergebracht werden.
Das Dorf Nowyj Kodak war das alte Saporoger Dorf, das seit 1660 besteht. 1750 wird dieses Dorf in den Unterlagen des Saporoger Archivs als eine Stadt bezeichnet. Zu damaliger Zeit war die Stadt Nowyj Kodak das Verwaltungszentrum für Saporoger Palanka Kodazka, da sie unmittelbar an der Übersetzstelle über den Dnepr und am Frachtfuhrmannweg lag. Gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung der Stadt Nowyj Kodak an, weil sich hier die Kosaken aus der Setsch niederließen, Familien gründeten und zu Pflügen statt der Waffen griffen, um den reichen und fruchtbaren Landboden zu erschließen.
Mit dem Eintreffen vieler Leute, die an der Bebauung der Stadt Jekaterinoslaw teilnahmen, vermehrte sich die Bevölkerungszahl noch. Von 1787 bis 1791 vertrat Nowyj Kodak das zukünftige neue Jekaterinoslaw und wurde deshalb im Alltag und in manchen offiziellen Papieren als Jekaterinoslaw II bezeichnet. 3-4 Wersta flußabwärts von Nowyj Kodak lag die kleine Saporoger Sloboda Polowiza. Ihren Namen verdankte die Slobo-da ohne Zweifel dem Flußchen Polowiza, das dort strömte. Das Flüßchen Polowiza nahm ihren Anfang in der Gegend des jetzigen Basars Osjornyj, zuerst mit einer Rinne floß es den Prospekt entlang, wo jetzt die Gosse ist, weichte nach links nach und nach ab, vereinigte sich mit einer anderen Rinne, die in der Schlucht Shandarmskaja (früher Kasnatschejskaja genannt) entsprang, floß weiter schon in einer ungefähr eine Wersta langen Rinne, dem Dnepr parallel und trennte eine ziemlich große Halbinsel und fiel endlich mit dem Dnepr 500-550 Sashen (l Sashen = 213,36 cm.-Übers) vor der Insel Monastyrskij (Klosterinsel), heute genannt Insel Bogomolowskij (Pilgerinsel) zusammen.
In verschiedenen Urkunden aus den XVI.-X VIII Jahrhunderten und bei verschiedenen ukrainischen Autoren bedeutete das Wort "Polowiza" "die Hälfte von etwas": die Hälfte des Heeres, die Hälfte der Geldabgabe, die Hälfte des in der Fabrik für den Verkauf erzeugten Glases, die Hälfte des Fischfangertrages, die Hälfte der gekauften Mühle, die Hälfte des Vermögens.
So erhielt das Flüßchen, das zwei parallele Betten hatte, die Bezeichnung Polowiza. Vom Fluß wurde der Name auch auf das Dorf übertragen. Es ist bekannt, daß viele Städte ihre Namen von den Flüssen übernehmen: der Fluß Moskwa und die Stadt Moskau, das Flüßchen Twerza und die Stadt Twer, der Fluß Wologda und die Stadt Wologda, das Flüßchen Kur und die Stadt Kursk, das Flüßchen Woltschji Wody und die Stadt Woltschansk, das Flüßchen Kupjanka und die Stadt Kupjansk, der Fluß und die Stadt Achtyrka.
Das Dorf Polowiza selbst ist spät entstanden. Man siedelte sich dort gegen Mitte des XVIII. Jahrhunderts an. 1768, nach dem plötzlichen Überfall der Tataren auf die Saporoger Setsch, begab sich ein Teil der Kosaken, die dort den Winter über blieben, nach Norden, in die Palanka Kodazka und ließ sich am Flüßchen Polowiza nieder. Dort, bei Polowiza, fanden auch manche Kosaken aus der Setsch eine Unterkunft. Sie waren nicht mehr kräftig genug, um mit ihren Kameraden über die Donau hin zu gehen, und blieben hier, um am eigen Herd ihr Leben zu beschließen. Nach Polowiza kamen auch manche aus dem Dienst ausgetretene Kosaken aus Nowyj Kodak, wie zum Beispiel der ehemalige Saporoger Kosakenrittmeister Lasar Globa.
Schließlich kamen in Polowiza auch die Leute aus der polnischen Ukraine unter.
Auf dem Stadtschema Jekaterinoslaws voa 1786 ist die Slubo-da Polowiza im unteren Teil der heutigen Stadt, ungefähr von der Grünanlage Jakowlewskij bis Kudaschewskajastraße und in Kamenja bis zum Potjomkingarten, das Flüßchen Polowiza entlang gezeigt. Durch die Sloboda Polowiza erstreckten sich zwei Schluchten - Wojzechower und Bobyrewer, die heute Fabritschnaja und Aptekarskaja genannt werden, längs der Schluchten siedelten sich Ukrainer und Polen an. Wieviel Höfe und Bewohner da waren, geben verschiedene Forscher unterschiedlich an. In "Materialien für historisch-statistische Beschreibung der Jekaterinoslawer Eparchie" sind 1779 125 Höfe angegeben. In der "Chronik der Jekaterinoslawer Archivkommission", in der Abhandlung des Professors W. A. Bednow sind 1783 113 l/4 Höfe angegeben. In den Materialien des örtlichen Gebietsarchivs aus dem Jahr 1784 kann man lesen: "Die Bevölkerung von Polowiza: Kronsansiedler, die vom Ackerbau leben-400 Männer, 302 Frauen, ungelernte Arbeiter - 38 Männer, 31 Frauen. Höfe (nach Anzahl der Häuser) - 50 aus Holz, 80 lehmbestrichene. In Polowiza gab es 5 Wassermühlen und 3 Schmieden." Als man beschloß, nach Polowiza das Hauptamt der Statthalterschaft zu verlegen, stellte der Stadthauptmann der noch nicht existierenden Stadt
Jekaterinoslaw eine "Beschreibung der Umgebung der Stadt Jekaterinoslaw und der Leute aus verschiedenen Ständen u.a." zusammen. In dieser "Beschreibung" war die Rede nicht nur von Polowiza, sondern auch von Nowyj Kodak, Staryj Kodak und dem Dorf Kamenka (Lozmanskaja). "Dem Umkreis gehören 39 000 Desjatinen Landboden. Polowiza liegt direkt am Dnepr, an seinen kurvenreichen Buchten... Unbeschränktes Angern, es wird unterschiedliches Fisch geangelt. Jährlich finden 5 Jahrmärkte statt. Aus der Krim, Polen und Rußland werden verschiedenartige Milcherzeugnisse hergebracht, die von den Bewohnern gekauft werden. In Jekaterinoslaw und seinem Umkreis wohnen insgesamt l 981 Männer und l 639 Frauen." Im Dorf Polowiza, wo heute die Gouvernementstadt Jekaterinoslaw ist, wurden von der Gründung der Stadt bis 1790 155 Höfe und darin 1450 Seelen beiden Geschlechts gezählt.
Die Kirchengemeinde gehörte der Kirche Nowokodazkaja an, und die Bewohner des Dorfes Polowiza baten den Erzpriester Nikifor um Erlaubnis, eine hölzerne Kirche zu Ehren von Peter und Paul in ihrem Dorf anzulegen. Unter den Bittstellern werden in den Kirchenarchiven die ehemaligen Kosakenrittmeister des Saporoger Heeres Lasar Globa, Ignat Kaplun und Andrej Mandryka, der ehemalige Kosa-kenregimentsleutnant Danilo Kasalap, die Kirchenvorsteher Fjodor Kroschka, Fjodor Skok, der Gemeindeschreiber Wassilij Kijaniza erwähnt. Die Erlaubnis hat man gegeben, und die 1781 angelegte Kirche wurde 1783 fertiggebaut. Es blieb nur, diese Kirche einzuweihen und dort Gottesdienste zu treiben. Aber Tioch vor der Einweihung, am 6. August, ging sie plötzlich in Flammen auf, die Ursache des Brandes blieb ungeklärt. Die Ikonostase (dreitür. Bilderwand zw. Altar- und Gemeinderaum in den orth. Kirchen.- Übers.) und andere Gegenstände aus dem Kirchengebrauch gelang es zu retten, da der Brand nicht im Innern der Kirche, sondern von oben und nicht in den nächtlichen Stunden, sondern gegen Mittag ausbrach. Nachdem bauten die Bewohner von Polowiza ein Bethaus zu Ehren der Gottesmutter von Kasan, dieses Bethaus ersetzte ihnen eine Kirche noch lange.
Als 1786 die Bebauung der Stadt Jekaterinoslaw losging, kamen viele Meisterleute nach Polowiza. Man begann die Polowizaer nach und nach an benachbarten Dörfern anzusiedeln. Ein Teil ging bergab, den Dnepr abwärts, ein anderer Teil ging flußaufwärts ins Dorf Suchatschowka. In der Zeit von 1791 bis 1793 brachte sich die Gouvernementstadt endgültig an Stelle der ehemaligen Saporoger Sloboda Polowiza unter. Aber im Volksmunde bestand die Saporoger Sloboda noch lange und, wenn jemand von den älteren Menschen nach Jekaterinoslaw fahren wollte, so sagte er, daß er nach Polowiza will.
So sollte zu Willen des allmächtigsten Fürsten Potjomkin an Stelle der ehemaligen Saporoger Sloboda Polowiza eine riesige, prachtvolle, schöne und reiche Stadt Jekaterinoslaw entstehen, die als ein ewiges und gerechtes Andenken an unsterbliche Taten der Großen Monarchin - der Kaiserin Katharine II. gedacht wurde.
Die Pläne des Fürsten Potjomkin waren wahrlich riesenweit.
IV
Am 6. Januar 1787 verließ die Kaiserin Katharine II. St. Petersburg und begab sich nach Kiew, weilte dort bis zum 22. April und fuhr am selben Tag den Dnepr ab bis zum Platz der künftigen Stadt Jekaterinoslaw.
Die Kaiserin Katharine II am Novorussia.
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Das prunkvolle Gefolge von Damen und Herren, russischen sowie ausländischen, begleitete die Kaiserin. Auf dem Wege hatte die Kaiserin vor, mit dem polnischen König Stanislaw Poniatowski zu einer Unterredung zusammenzutreffen, dann plante sie, sich mit dem österreichischen Kaiser Joseph II. einzufinden. Joseph II. kam nach Rußland unter dem Namen Graf Falkenstein, um über verschiedene politische Angelegenheiten zu verhandeln.
Das Gefolge der Kaiserin bestand insgesamt aus 40 Personen: Kammerfräulein Anna Stepanowna Protassowa, Kammerjungfer Mawra Sawwischna Perekussichina; Fürstin Golizyna, Fürstin Dolgorukowa, Gräfin Branizkaja; Gräfin Skawronskaja, Gräfin Tschemyschowa u. a. Unter den Männern waren Fürst Potjomkin, Graf Dmitrijew-Mamonow, auch "Roter Kaftan" genannt (er war der Günstling der Kaiserin in der Zeit von 1786 bis 1789), Fürst Barjatinskij, Graf Tschernyschow, Graf Schuwalow, Graf Ru-mjanzew, Graf Besborodko, Grafen Anhalt, Naryschkin, Kammerherren Walujew und Saltykow u. a. Von den Ausländern waren österreichischer Bote Graf Kobenzel, französischer Prinz de Linge, französischer Diplomat Graf Segur, Prinz Nassau-Siegen, brittischer Bevollmächtigter Fritz Herbert.
Da waren natürlich die Kaiserin selbst und das kleine Gräfchen Branizkij, das sie durch seine kindliche Lustigkeit, Heftigkeit und Findigkeit sehr unterhielt. Der Fürst Potjomkin wurde extra von dem bekannten Dichter Petrow, der einen freien Zutritt beim Durchlauchtigsten zu Hause hatte und mit ihm überall folgte, begleitet. Damit die wichtigsten Momente der Reise von den hohen Personen den Dnepr entlang auf Papier und Leine wiedergespiegelt werden konnten, wurde der Maler Hatfield eingeladen.
Die Kaiserin wurde außerdem noch von den Deputierten von 30 Völkern, die dem russischen Zaren Untertan waren, begleitet - Tataren, Kalmyken, Kirgisen, Osseten u. a., die von verschiedenem kulturellen Niveau und unterschiedlich zivilisiert waren, unterschiedliche Bräuche hatten, sich von einander im Alltag unterschieden, unterschiedlich aussahen, verschiedene Sprachen sprachen, verschiedene Konfessionen vertraten.
Die kaiserliche Flottille.
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Die kaiserliche Flottille bestand aus 80 Schiffen mit 3 000 Mann kräftiger Mannschaft unter dem Kommando von Vize-Admiral Pjotr Iwanowitsch Pustschin. Die Schiffe waren gold aufgeputzt, mit Amoren geschmückt, von allermöglichen Blumen umwunden, bunt geflaggt, wunderten alle mit ihren hohen und schlanken Mastbäumen.
Jedes Schiff hatte den Namen eines der Fluße des Russischen Reiches. So hieß die Galeere, wo die Kaiserin Katharine II. war, "Dnepr", sie war die neunte der Reihe nach, war unter dem roten goldgestickten Samtpavillon die prachtvollste. Dir folgte die zehnte Galeere "Bug", wo der Fürst Potjomkin mit seinen Nichten Gräfin Branizkaja und Gräfin Skawronskaja samt ihren Gatten unterkamen. Die Speisewirtschaft wurde auf der Galeere "Desna" untergebracht. Nach den Worten des Augenzeugen Grafen Segur konnte man sich ein prachtvolleres, aparteres und prächtigeres Schiff kaum vorstellen. Auf einer der Galeeren waren der Arzt und der Apotheker mit den Medikamenten.
Der zarischen Flottille folgten zahlreiche Begleitboote, Eichenkähne, Kähne u. a.
Auf den Galeeren waren 200 Sänger und Musikanten, von Sarti, dem Direktor der Jekaterinoslawer Akademie für Künste und Musik geleitet.
Das Homblasen entzückte alle am meisten. Es nahm sogar den österreichischen Kaiser Joseph II. gefangen, er bezeichnete das Hornblasen als "himmlisch, obwohl er alles andere ziemlich konisch aufnahm."
Der Fürst Potjomkin hatte außerdem noch 186 Sänger und Musikanten mit.
Kurz und heftig berühren dort
Der schneinende Posaunenschall,
Der Tamburindonner und das Waldhorngestöhn
Die Luft harmonisch.
Hin und wieder hört man
Die Stimme der Hirtenflöten und klangvoller Triller
Wie einen Nachtigallenschlag
Im Rauschen der fallenden Gewässer heraus.
An Dneprufern leuchteten überall farbenfrohe Lichte, man hörte immer wieder jubelndes Geschrei des Volkes; überall wuchsen wie aus dem Boden Paläste, Häuser, Türme, Triumphbogen; innerhalb von einer Nacht entstanden wunderschöne Gärten; hier und dort traten die Musen mit Harfen und Zewnitzen (Altruss. Volksblasinstrument, vom Typ der Panflöte.- Übers.) auf, die die "Göttin vom Norden" willkommen hießen und sie mit melodischem Spiel ergötzten.
Die ausländischen Boten, die viele Wunder im Westen gesehen hatten, standen mit offenem Munde vor Erstaunen da und konnten vor Begeisterung kaum Luft holen. Diese Begeisterung wurde auch in den Notizen eines der Reisenden und zwar des französischen Diplomaten Grafen Segur zum Ausdruck gebracht: "Die Kaiserin machte sich auf den Weg auf einer Galeere von der prächtigsten Flottille, die jemals den breiten Fluß befuhr, begleitet. Die Flottille bestand aus 80 Schiffen mit 3 000 Matrosen und Soldaten. Vorne fuhren sieben schmucke, kunstreich bemalte riesengroße Galeeren mit zahlreichen geschickten und gleichgekleideten Matrosen. Die auf den Decken eingerichteten Zimmer glänzten von Gold und Seiden... Jeder von uns hatte ein Einzelzimmer und außerdem noch ein schmuckes und prachtvolles Kabinett mit gemütlichen Sofas, einem herrlichen Bett mit StofrVorhang und einem •Mahagonischreibtisch. Auf jeder Galeere gab es eine Musikkapelle. Zahlreiche Boote und Kähne liefen vorn und um dieses Geschwader umher, das von einer Zauberei zu geschaffen sein schien."
"Wir bewegten uns langsam, hielten oft und stiegen in leichte Schiffe um, fuhren das Ufer entlang um die grünen Inseln, mit denen der Fluß übersät war, herum. Viele Leute hießen die Kaiserin mit lautem Geschrei willkommen, wenn die Matrosen beim Donner der Kanonen in Takt ihre glänzenden bemalten Rudern in die Wellen von Borysthenes (Altgr. Name für den Dnepr.- Übers) tauchten. Auf den Ufern standen Haufen von Menschen, die von allen Seiten kamen und gingen, sie wollten den feierlichen Zug der Kaiserin sehen und ihr die Kunstwerke verschiedener Örtlichkeiten schenken. Ab und zu manövrierten auf den Dnepruferebenen leichte Kosakentruppen. Städte, Dörfer, Gutshöfe, manchmal auch einfache Hütten waren derart mit Blumen, bemalten Dekorationen und Triumphbogen geschmückt, daß ihr Aussehen das Auge täuschte, und schienen wundervolle durch die Zauberei geschaffene Städte zu sein. Der Schnee taute; der Erdboden bedeckte sich mit Grün; die Weiden wurden bunt von Blumen; die Sonnenstrahlen belebten, beseelten und beschmückten alle Gegenstände.
Einschmeichelnde Musik von unseren Galeeren, mannigfaltige Trachten der Zuschauer auf den Ufern brachten in dieses pracht- und lebensvolle Bild Abwechslung."
"Wenn wir an die großen Städte herankamen, so wurden vor uns in bestimmten Stellen vortreffliche Regimenter, die mit ihren schönen Waffen und herrlichen Festkleidern glänzten, in Reih und Glied aufgestellt. Es schien, daß sich die Naturkraft, der Frühling, die Natur und die Kunst für den Triumph des mächtigen Günstlings (Potjomkin) vereinigten. Indem er die Kaiserin von solchen Wundem umgab, als sie durch die Ländereien, die erst vor kurzem mit Waffen untergekriegt wurden, vorbeifuhr, hoffte Potjomkin ihren Ehrgeiz zu erregen und ihr den Wunsch und den Mut einzuflößen, sich zu neuen Eroberungen zu entschließen."
"Ich sah die Kaiserin noch nie so liebenswürdig, als am ersten Tag unserer Reise... Der Frühling machte unsere Geister jung... Man war sicher, daß es jeden Tag was Neues gibt, interessante Sachen - alldas erregte und reizte die Phantasie, die in ihrem Streben uns selbst zuvorkam."
Der polnischen Konig Stanislaw Poniatowski.
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Sich weiter den Dnepr ab bewegend, hielt sich die Flottille am 25. April bei Kanew auf, wo Katharine den polnischen König Stanislaw Poniatowski empfing, der mit seinem Gefolge für gegenseitige Klärung verschiedener politischer Fragen ankam. Stanislaw Poniatowski rechnete darauf, daß Katharine ihn als den Fürsten Poniatowski, mit dem sie einst intime Beziehungen hatte, empfangt. Seitdem vergingen aber 29 Jahre, und Katharine hielt sich recht zurückhaltend. Nach der gegenseitigen Verbeugung, die hochmütig, überheblich und kühl war, reichte Katharine dem König die Hand, nachdem betraten sie das Kabinett und hielten sich dort nur eine halbe Stunde auf.
Der König verließ das Kabinett mit Wehmut in den Augen, die auch sein gezwungenes Lächeln nicht verbergen konnte, und ging dann in den Empfangssaal, der von der glänzenden Versammlung mit dem Fürsten Potjomkin an der Spitze voll war.
Nach einigen Minuten trat auch Katharine in den Saal ein.
Sie hatte eine Tracht slawischen Schnitts, dem Kuntusch (weibl. Oberkleid) ähnlich, ans einem seidenen, goldeingcwphtftn lilafarbenen Stoff mit Goldstickerei, langen, nach hinten geschlagenen Ärmeln; der Kopf war sehr geschickt mit mehreren Kopfhadeln und aigrette mit Diamanten von ungewöhnlicher Größe geschmückt; an der Brust glänzte das Andrejband mit Diamanten über die Georgij- und Wladimirsteme.
Nach der Vorstellung der Personen aus dem Gefolge von beiden Seiten wurde der König zum Mittagessen eingeladen, nachher kehrte er um 8 Uhr desselben Tages nach Kanew zurück, wo er einen pomphaften Ball für das Gefolge der Kaiserin gab, die Kaiserin selbst weigerte sich jedoch, zum Ball zu gehen.
Als die Dunkelheit hereinbrach, loderte der Kanewer Berg von grellen Flammen plötzlich auf; an seinen Abstufungen wurde ein Graben gezogen und vom Brennstoff ausgefüllt. Als er in Flammen gesetzt wurde, sah er wie die Lawa aus, die vom feuerspeienden Berg herabfließt; die Ähnlichkeit war noch frappanter, weil die Explosion von über 100 000 Raketen auf dem Berggipfel die Luft erleuchtete und das Licht, von Dneprwassern zurückgeworfen, verdoppelte. Das Feuerwerk ahmte den Ausbruch von Vesuv nach und gelang sehr gut Die ganze Flottille war so wunderbar beleuchtet, daß keine Nacht für alle diesmal ausbrach.
Aber ab 26. April erhoben sich harte flache Winde, die manchmal in den Sturm übergingen. Einmal wurde die Galeere "Dnepr", wo sich die Kaiserin aufhielt, während dieses harten Sturms an das Flußufer gedrückt, es ging letzten Endes alles gut, und Katharine verbot offizielle Mitteilungen in diesem Zusammenhang.
Der Sturm, wie auch zahlreiche Inseln, Inselchen, Biegungen und stellenweise auch Klippen hinderten die Galeeren bei der Bewegung, man konnte nicht segeln, man konnte nur rudern. Manchmal legte sich der Sturm nieder, und die Natur zeigte sich dann in aller Pracht.
Am 29. April hielt sich die Flottille beim Örtchen Krylow auf, wo der Statthalter von Jekaterinoslaw I. M. Sinelnikow, der Adelsmarschall von Jekaterinoslaw, Adelsmarschalle aus den Kreisen und viele andere Adelsleute der Kaiserin entgegen hinfuhren.
Am 30. April ging die Flottille bei wunderschönem Wetter an der Anlegestelle der Stadt Krementschug vor Anker, wo der Fürst Potjomkin als Generalgouvemeur Neurußlands und Jekaterinosla-wer Erzbischof Amwrossij die Kaiserin willkommenhießen.
"Alle Bäume, sogar auch die Eichen breiteten sich aus", schrieb Kathanne aus Krementschug in die Metropole, "es war so warm wie bei uns im Juni; seitdem wir in die Jekaterinoslawer Statthalterschaft einfuhren, wurden eigentlich die Luft und alle Dinge und Menschen anders, alles scheint lebendiger zu sein."
Die kaiserliche Flottille in der Stadt Krementschug.
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Der Empfang, den der Fürst Potjomkin für die Kaiserin in der Stadt Krementschug organisierte, entzückte sowohl sie persönlich, als auch ihr zahlreiches Gefolge und alle ausländischen Gäste. Davon begeistert sagte Katharine dem Fürsten Potjomkin nach der Truppenbesichtigung: "Auf dem Wege von Petersburg nach Kiew glaubte ich, daß die Triebfedern, meines Reiches vor Gebrauch nachließen: hier sind sie in voller Kraft und Lauf."
"Der immer und in allem außergewöhnliche Potjomkin", sagt Graf Segur, "kommt hier so tatkräftig und rege vor wie faul in Petersburg. Es ist, als ob er verstände, durch Zauber alle möglichen Hindernisse zu überwinden, die Natur zu bewältigen, den Weg abzukürzen, Mangel zu vertuschen, das Auge dort zu täuschen, wo nur monotones Flachland war, dem Sinn auf dem langen Wege eine Nahrung zu geben, Steppen und Einöden zu beleben. Die Haltestellen waren so zeitlich geordnet, daß die Reisenden nicht müde werden konnten: die Flottille machte immer in Sicht der Dörfer und Städte, die in malerischen Gegenden liegen, halt. Auf den Wiesen weideten zahlreiche Herden; auf den Ufern häuften sich die Einwohner; wir wurden von vielen Booten mit Jungen und Mädchen umringt; kurz und gut, es war nichts übersehen. Man muß eingestehen: obzwar Potjomkin ein schlechter Feldherr, ein rechthaberischer Diplomat und bei weitem nicht ein Staatsman ist, ist er dafür der vortrefflichste und geschickteste Höfling."
"Ich war", schrieb W. A Tschertkow, der an Katharines Dneprreise teilnahm, "mit seiner Durchlaucht auf der Tauris, in Cherson und Krementschug zwei Monate vor der Ankunft Ihrer Majestät dort. Ich staunte über seine Durchlaucht und verstand nicht, was da sein sollte, das er Ihrer Majestät dort zeigen wollte. Nirgends gab es dort etwas Hervorragendes zu sehen; mit einem Wort, ich bedauerte, daß seine Durchlaucht Ihre Majestät dorthin aus einem nichtigen Grund einlud. Mit der Kaiserin angekommen, fanden wir Wunder, die Gott weiß woher zum Vorschein kamen. Weiß der Teufel, woher diese Bauten, Truppen, Leute, schön angezogene Tataren, Kosaken, Schiffe auftauchten. Na, Gott weiß was... Was für eine Überfülle von reichhaltigen Speisen, Getränken, kurzum, von allem, weißt du, so viel, daß es nicht möglich ist, das anständig wiederzugeben. Ich bewegte mich damals wirklich wie im Traum. Ich traute mir selbst nicht, fühlte mich: ob ich das bin, wo ich bin, ob ich nicht träume, ob ich kein Gespenst sehe? Na, man muß bekennen: er und nur er vermag solche
Dinge zu tun, und wie konnte er das fertigbringen? Er schien sich auch in Kiew nicht besonders viel mit diesen Sachen beschäftigt zu haben, na ja, du weißt, wie es eben hier ist. Man hörte nur immer wieder "Wassilij StepanowitseflL bitte" und "Popuw, bitte", "Popovvp bitte" und "Wassilij Stepanowitsch,1 bitte", aber es ist ja gleich. Eine Überraschung, wirklich eine Überraschung! Helfen ihm denn Geister?"
Am 3. Mai, nach dem Auslaufen der Flottille von der Anlegestelle der Stadt Krementschug, erhoben sich am Dnepr wieder harte Flachwinde, die die Schiffe bei der Bewegung stark hinderten. Der Flachwind, der sich in den nächsten Tagen verstärkte, zwang die Flottille am 6. Mai vor Anker zu gehen und am rechten Dneprufer, gegen das Dorf Grigorjewka, heute die Stadt Werchnedne-prowsk, zu nächtigen.
Am 7. Mai wurde Katharines Dneprreise für alle unerwartet unterbrochen und mehr noch - ganz eingestellt.
Um 4 Uhr frühmorgens, kaum sich die Flottille vom Dorf Grigorjewka an in Bewegung setzte und eine Stunde verging, erschien eine Equipage am Ufer des Dneprs, aus der Equipage rief man, das Boot ans Ufer vorzufahren. Als das Boot vorgefahren war, bestieg es der Graf M. P. Rumjanzew und von dort direkt an die Galeere "Dnepr" ging. Noch am 4. Mai wurde er dem Kaiser Joseph II. entgegen geschickt, der ankam, um mit Katharine II. zusammenzukommen. Jetzt kam der Graf angeritten, um der Kaiserin darüber mitzuteilen. Aber sie war noch im Bett, und man wagte einige Zeit nicht, sie zu wecken. Endlich benachrichtigte man sie unter Mithilfe von Mawra Sawwischna Perekussichina über die Ankunft des Grafen Rumjanzew mit der Nachricht, daß der Graf Falkenstein im Dorf Nowyj Kodak am Abend vor angekommen ist und jetzt der Kaiserin entgegen fahrt.
Es war 11 Uhr vormittags; man mußte sich beeilen. Da entstand ein wüstes Durcheinander. Man brachte Equipagen und Pferde. Kathanne mit Gräfin Branizkaja, Grafen Dmitrijew-Mamonow und Prinzen de Ligne stiegen in die viersitzige Kutsche ein. Dir folgten Protassowa, Lew Naryschkin, Grafen Besborodko, Anhalt, Rumjanzew in der sechssitzigen Kutsche. Der Fürst Potjomkin begab sich direkt nach Nowyj Kodak, um dort die beiden gekrönten Häupter zu empfangen.
Der Kaiser Joseph II.
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Dir Treffen mit Joseph II. beschrieb Katharine II. in ihrem Brief nach Petersburg an den Baron Grimm: "Am 7. Mai, indem ich mich auf meiner Galeere bei Kodaki aufhielt, erfuhr ich, daß der Graf Falkenstein mir entgegen in voller Karriere reitet. Ich ging sofort ans Ufer und ritt ihm entgegen auch, und wir beide beeiferten uns so, daß wir auf freiem Felde Nase zu Nase aufeinander kamen. Sein erstes Wort war es, daß unsere Diplomaten hereinfielen: niemand wird unserem Treffen beiwohnen. Mit ihm war sein Bote, bei mir waren Prinz de Ligne, Roter Kaftan (d. h. Dmitrijew-Mamonow) und Gräfin Branizkaja."
"Ihre Majestäten, in einer Equipage (Prinz de Ligne und Dmitrijew-Mamonow stiegen in die Kutsche von Joseph II. um) untergebracht, ritten mit verhängtem Zügel 30 Wersta bis Kodaki. Aber so ganz allein über das Feld geritten (wobei er damit rechnete, bei mir zu Mittag zu essen, ich glaubte meinerseits das Mittagessen beim Feldmarschall Fürsten Potjomkin finden zu können, und diesem letzteren fiel es ein, zu fasten, um die Zeit zu gewinnen und die Anlegung der neuen Stadt vorzubereiten) fanden wir den Fürsten Potjomkin erst kurz nach seiner Rückkehr von der Reise, er hatte sich selbstverständlich um das Mittagessen noch nicht gekümmert. Da aber Not die Leute erfinderisch macht, nahm es sich der Fürst Potjomkin vor, selbst Koch zu werden, den Prinzen von Nassau zum Küchenjungen, den General Branizkij zum Kochkünstler zu machen. So hatten Ihre Majestäten nie so eine glänzende Dienerschaft und so ein schlechtes Mittagessen, seitdem sie gekrönt wurden. Ungeachtet dessen aßen und lachten sie viel und gaben sich zufrieden mit dem Mittagessen, das mit Mühe und Not zubereitet wurde."
Der Kaiser Joseph II. beschrieb selbst sein Treffen mit Katharine II. im Brief vom 19. Mai neuen Stils an den Feldmarschall Lassi wie folgt: "Lieber Marschall, da ich etwas freie Zeit habe, schreibe ich Dir aus dem Saporoger Dorf (Kodak). Die Kaiserin konnte gestern wegen des schlechten Wetters ihre Reise am Dnepr nicht fortführen... Zu dieser Zeit fuhr ich ihr entgegen, und wir kamen aufeinander nur vier Wersta von ihren Schiffen entfernt. Sie ließ mich ihre Equipage besteigen, und wir kamen zurück in Kodak zusammen an. Hier stellte es sich heraus, daß ihre ganze Dienerschaft zurückblieb und niemand da war, um die Speisen zuzubereiten und aufzutischen. Dann fiel es Potjomkin, der uns zusammen mit dem Prinzen von Nassau überholte, und dem polnischen General Branizkij ein, selbst zu kochen. Mit mir war ein Küchenjunge, ich wollte ihn holen lassen, aber sie gestatteten ihm nicht, ihnen zu helfen. Dadurch stellte das Mittagessen ein Gemenge von Gerichten, die gar nicht schmeckten..."
Über Katharines Treffen mit Joseph II. auf freiem Felde steht in der "Kammerfurierzeitschrift"des Jahrgangs 1787 so geschrieben: "In drei Wersta von Kodak erfolgte das freudige Wiedersehen Ihrer Kaiserlichen Majestät mit dem Grafen Falkenstein, da war merklicher zu sehen, wie zwei hohe Reisende noch ziemlich weit von einander entfernt anhielten, als sie aufeinanderkommenden Equipagen wahrgenommen hatten. Sie stiegen aus ihren Equipagen aus und kamen aufeinander zu Fuß. Als sie näher zu einander traten, begrüßten sie einander freundlich und stiegen zusammen in die Kutsche Ihrer Kaiserlichen Majestät ein."2
Weiter schrieb der Kaiser Joseph II. an seinen Feldmarschall Lassi über die ersten Minuten seines Wiedersehens mit Katharine II. folgendes: "Gestern war es so kalt, daß wir die Pelzmäntel anzogen, und am Abend ließ Ihre Majestät den Kamin anheizen... Die Galeeren, auf denen das sämtliche Gefolge fuhr, waren sehr schön und bequem, aber etwas groß und schwer. Am Dnepr gibt es zu viele seichte Stellen, deshalb ist er für große Schiffe ungeeignet. Das Heer ist von neuem eingekleidet. Potjomkin macht, was er will; seine Lage am Hof ist besser als je zuvor und seiner Macht sind keine Grenzen gesetzt. Der neue Günstling (Dmitrijew-Mamonow) ist noch jung, erst 26, nicht ausgebildet, geistlich beschränkt, sehr hübsch und scheint selbst an sein Glück nicht zu glauben. Die Kaiserin selbst hat etwas abgenommen, genießt übrigens eine ausgezeichnete Gesundheit."
Der Kaiser Joseph H. lobte ins Gesicht alle Weisungen des Fürsten Potjomkin, hegte und pflegte ihn sogar, aber beurteilte abfallig alles, was er sah, in seinen Briefen an seine Nächsten, er fand weder Ordnung noch Interesse. Vor allem tadelte er den Fürsten Potjomkin dafür, daß er sich um kleinrangige Offiziere nicht kümmerte.
In Nowyj Kodak wurde alles für Aufnahme der hohen Reisenden im voraus eingerichtet. An den Dneprufern wurde das Triumphtor auf den Schiffen geschaffen, geschmückt mit Girlanden aus allermöglichen Schnittblumen und goldfarbenen Ähren, die die Worte darstellten "Deine von Deinen, Dir bringenden." Gesondert wurde der prächtige hölzerne Palast gebaut, in dem man später die örtliche Tuchweberei unterbrachte.
Als sich die Reisenden dem Dorf Nowyj Kodak näherten, setzten der Kanonendonner und das edle Glockengeläut ein. An der St.-Nikolaus-Kirche wurden die hohen Gäste vom Jekaterinoslawer Erzbischof Amwrossij Serebrennikow empfangen, am Palast, am Heranfahrtweg, erwartete sie der Generalgouverneur, der durchlauchtigste Fürst Potjomkin selbst als des Landes Herr mit Salz und Brot.
In Erwartung der Ankunft aller Schiffe-manche von denen liefen auf eine Sandbank auf - weilte sich Katharine in Nowyj Kodak zwei Tage, den 7. und 8. Mai, wobei sie vom Morgen an angesehene Bürger, Beamte und Kriegsleute der Stadt Jekaterinoslaw im Palast des Jekaterinoslawer Erzbischofs Amwrossij empfing. Die vornehmen Bürger reichten der Kaiserin Salz und Brot auf den Fayenceschalen und hiesige Früchte dar. Alle wurden von der Kaiserin mit dem Handküssen beschenkt.
Am 8. Mai gegen Abend kamen in Nowyj Kodak alle zurückgebliebenen Schiffe an, sie waren, wie es nach ihrer Besichtigung klar wurde, nicht beschädigt. Es stand den Schiffen noch vor, weiter 9 Stromschnellen und die gefahrlichste von denen-Nenasytez (Nimmersatt.- Übers) zu überwinden.
Auf Katharines Befehl rief der Fürst Potjomkin die besten Lotsen aus den Dörfern Kodak und Kamenka herbei und fragte sie aus, ob alle kaiserlichen Schiffe die Stromschnellen von Dnepr glücklich passieren und sich auch weiter bis Cherson bewegen können. Die Lotsen baten um Erlaubnis, alle Schiffe gründlich zu untersuchen. Nachdem sie die Erlaubnis bekamen und die Schiffe prüften, sagten die Lotsen, daß die Schiffe die Stromschnellen nur in dem Falle heil passieren können, wenn man die Steuer davon abbringt und an Stelle der Steuer "die Steuerrudern", d. h. lange und breite spatenartige je aus einem Holzstamm geschnittene Bohlen anbringt. Solche "Steuerrudern" werden von 10-12 gegenüber stehenden Rudergängern bald zu einer, bald zu anderer Seite gedreht, so jagen dann die Schiffe zwischen den Steinen lavierend mit Ungestüm vorwärts.
Man erlaubte diese Umarbeitung, am 9. Mai früh machten sich alle Schiffe von Nowyj Kodak auf den Weg den Dnepr ab, und die Kaiserin mit ihrem Gefolge begab sich am selben Tag um 9 Uhr morgens, am St.-Nikolaus-Tag, von Nowyj Kodak in die Sloboda Polowiza, um dort die Kathedrale anzulegen.
Die Kaiserin fuhr in der sechssitzigen Kutsche mit dem österreichischen Kaiser Joseph II., der Gräfin Branizkaja, dem Fürsten Potjomkin, dem Grafen Kobenzel und Dmitrijew-Mamonow.
Die Sloboda Polowiza lag unten und dehnte sich den Fluß Polowiza entlang. Ostwärts von der Sloboda Polowiza erhob sich die hohe, freiliegende, unbesiedelte Anhöhe, von der aus sich eine weite und herrliche Aussicht auf die zu dieser Jahreszeit von grünem Gras bedeckte und von allerlei bunten Blumen übersäte Steppe bot.
Indem die Kaiserin den Hügel bestieg und ihn von allen Seiten beschaute, sagte sie: "Diese Gegend scheint das angenehme Gefielde für die Behausung zu sein."
Hier soll die Stadt sein. Hier soll auch die Kathedrale zum Andenken an Christi Verklärung sein. Der Platz für die Kathedrale ivurde schon von dem Leiter der Arbeiten Falejew von vomeherein jestimmt. Michail Leontjewisch Falejew, anfangs der bescheidene Caufrnann aus Krükow, dann der Oberst, Günstling vom Fürsten Potjomkin, dann die rechte Hand des Generals I. M. Sinelnikow, ichtete auch im voraus leichte und aparte Pavillons ein, wo man beabsichtigte, der Kaiserin und ihrem glänzenden Gefolge das reichhaltige Mittagessen anzubieten.
Von den eingerichteten Pavillons gesondert wurde das kaiserliche Zelt mit der Feldkirche aufgeschlagen.
"Acht Wersta von Kodaki", schrieb der erste Geschichtsschreiber Neurußlands Erzbischof Gawrijil Rosanow, "wurde das kaiserliche Zelt mit einer Regimentskirche dabei auf dem hoch gelegenen Dneprufer aufgeschlagen, auf einem bezaubernden, mit Grün und Blumen bedeckten Platz, wo ein Heiligtum dem Gott errichtet sein soll, von dort aus sah man die Dneprwindungen mit bewaldeten Inseln; seine Eminenz Amwrossij, der Erzbischof der Jekatennoslawer und Cherson-Taurischen Gouvernements, empfang die Kaiserin mit dem Kreuz und dem Weihwasser, hielt die Gottesliturgie in Anwesenheit der Kaiserin. Während des Gottesdienstes war niemand in der Kirche außer den Choristen und den 12 mit der Kaiserin gekommenen Hoffräulein. Joseph II. schaute nur in die Kirche hin und ging sofort mit dem Durchlauchtigsten und anderen Generalen zu dem Platz, wo man das Terrain für die Anlegung der Kathedrale ebnete...Als die Liturgie zu Ende war, reichte seine Eminenz Amwrossij das Kreuz der Kaiserin;
sie küßte es ehrerbietig, verbeugte sich zu beiden Seiten und ging vom Durchlauchtigsten begleitet zum Platz, wo man die Kathedrale anlegen wollte. Der Platz für die Errichtung der Kathedrale war nur größenmäßig angedeutet: wo der Unterbau sein sollte, machte man nur Streifen und ebnete man das Terrain, weil man, - so sagte der Augenzeuge Nikita Leontjewitsch Korsh, - mit dem Untermauern Knall und Fall nicht zurechtkam und die Ausschachtung eines Grabens erst nach der Durchreise der Kaiserin vornahm.
Dort, wo der Altartisch in der Kathedrale sein sollte, wurde ein großer Graben, ähnlich wie eine Gruft oder eine Höhle fast eine Sashen tief und über zwei Sashen breit ausgeschachtet; für den Abstieg in die Gruft wurden die Stufen gemacht, die wie auch die ganze Gruft mit den Teppichen ausgelegt wurden.
Dann fing das diesem Ereignis angemessene Zeremoniell an; das erzbischofliche Konzil mit dem sämtlichen Klerus und dem ganzen Zug machte die Kirchenprozession, vom Süden begonnen, dann ostwärts über das geebnete Terrain bis zum Platz, wo die Kathedrale angelegt sein sollte. Und seine Eminenz Amwrossij, der mit dem Kreuz ging, sprengte mit Weihwasser zu beiden Seiten Zur Gruft gelangt blieben alle stehen. Die Kaiserin mit Joseph II und dem durchlauchtigsten Fürsten stiegen in die Gruft gebührlich hinab, ihnen folgten auch einige vornehme Personen. Dort hörten sie sich "die Kirchliche Lobpreisung", die entsprechend dem kirchlichen Zeremoniell vorgenommen wurde, an; nach deren Beendigung verrichtete seine Eminenz das Gebet und besprengte die Stelle mit Weihwasser. Die Kaiserin bekreuzte sich, verbeugte sich vor den Anwesenden zu beiden Seiten, legte den ersten Stein in das Fundament der Kathedrale und gab noch 8 unterschiedliche Münzen, insgesamt in Summe von 67 Rubel hinzu. Das waren: der Imperial (russ. Goldmünze.- Übers) aus dem Jahr 1756 und der goldene
Halbimperial aus dem Jahr 1785; silberne - ein Rubel aus dem Jahr 1780; 25 Kopeken aus dem Jahr 1765; 20 Kopeken aus dem Jahr 1785; 15 Kopeken aus dem Jahr 1781; 10 Kopeken aus dem Jahr 1769; 5 Kopeken aus dem Jahr 1745. Die letzte Münze, d. h. im Werte von 5 Kopeken, fehlte, und laut der Oberlieferung fragte Katharine dann: "Gibt es einen Fünfer?" Einer der Anwesenden gab den Fünfer dem General I. M. Sinelnikow, damit er ihn der Kaiserin übergibt. Das alles wurde mit einer vergoldeten Kupfertafel abgedeckt, auf der Tafel waren die Worte ausgeschnitten: "Katharine II., die Kaiserin allen Rußlands, legte 1787 den ersten Stein anläßlich der Gründung der Kathedrale zum Gedenken an unseren Erlöser." Die Tafel wurde der Kaiserin vom Fürsten Potjomkin gereicht.
Den zweiten Stein ins Fundament der Kathedrale legte Joseph II. "Wir mit der Kaiserin Katharine haben eine große Tat vollbracht: sie hat den ersten Stein und ich den zweiten und den letzten Stein ins Fundament der Kathedrale gelegt." So sagte der österreichische Kaiser seinen Vertrauten nach der Anlegung der Kathedrale, und seine Prophezeiung bewahrheitete sich völlig, wie die Zukunft zeigte.
Der französische Bote Graf Segur zweifelte seinerseits daran, ob Gottesdienste in der angelegten Kathedrale einmal geleistet werden.
Den dritten Stein ins Fundament der Kathedrale legte der Fürst Potjomkin. Den vierten Stein legte der Erzbischof Amwrossij und den fünften - der General I. M. Sinelnikow. Nach der Anlegung der Kathedrale zu Ehren des Herrgottes brachte der Rat der geistlichen Ältesten ein Hoch aus, und ein allgemeines Hurra verbreitete sich bei dem Glockengeläut und dem Kanonendonner über das öde Land. Freudenrufe erschütterten die Ufer von Borysthenes.
Somit war das Zeremoniell zu Ende, der Platz wurde geweiht, und die Kathedrale mit 12 Weihaltaren wurde gegründet. Der Erzbischof Gawrijil bestimmt die Größen der angelegten Kathedrale so: "Die Kathedrale sollte 71 Sashen lang, 21 Sashen und noch ein Arschin (l Arschin = 0,71 m.- Übers.) breit sein. Das Heiligtum in Jekaterinoslaw sollte voraussichtlich das geräumigste in der Welt sein, mit dem nur die Peterskirche (S. Pietro in Vaticano) in Rom verglichen sein konnte."
Damit aber die Peterskirche in Rom mit der Kathedrale in Jekaterinoslaw nicht zu vergleichen war, sagte der Fürst Potjomkin dem Architekten bei ihrer Gründung: "Gib noch einen Arschin zu!" Und der Architekt gab zu, wie der Volksmund sagt. Wahrscheinlich wußte der Erzbischof Gawrijil darüber auch, denn bei ihm ist es zu lesen: "71 Sashen und 21 Sashen mit l Arschin."
"Zu gleicher Zeit, am gleichen Tag und zu gleicher Stunde", sagt Gawrijil, "erhielt diese Stadt unmittelbar von der Kaiserin selbst auch ihren Namen- Jekaterinoslaw. Die Ureinwohner von Polowiza zogen laut dem Erlaß in andere nach eigenem Wunsch gewählte Dörfer um. Der eine - größere - Teil von ihnen zog ins Dorf Suchatschowka um, der andere - kleinere - Teil ging ins Dorf Mandrykowka, wo damals nur der Kosak Mandryka als Überwinterer wohnhaft war und sich meist mit dem Fischangeln am Dnepr beschäftigte. Nach dem Namen Mandryka nannten die sich dort angesiedelten Polowizaer ihr Dorf Mandrykowka."
"Die vornehmen Einwohner der neuen Stadt wiegten sich in einem Traum, daß die Kaiserin sie nach der Anlegung der Kathedrale mit ihrer Gegenwart beglückt und mit ihnen das Mahl teilt, es stellte sich aber heraus, daß das Mittagessen hohe Personen beim ersten Anhalten nach der Abreise von Jekaterinoslaw erwartet.
Kurz vor der Abreise von Jekaterinoslaw reichte man der Kaiserin herrliche seidene Strümpfe als ein Erzeugnis der hiesigen Seidenstrumpffabrik dar, die Strümpfe waren so spinnegewebedünn, daß man sie in die Schale eines einfachen Nusses hineintun könnte. Nebenbei bemerkt, es ging schon damals das Gerücht, daß der Durchlauchtigste den speziellen Kurrier diese Strümpfe aus Paris beizeiten holen ließ."
Beim Donner der Kanonen, Geknatter der Gewehre und jubelnden Geschreien des Volkes reiste die Kaiserin Katharine mit ihrem zahlreichen Gefolge am selben Tag von Jekaterinoslaw ab.
Die am Fuß der gegründeten Kathedrale Gebliebenen und zwar die vornehmsten Geistlichen, Adligen, Kaufleute und überhaupt alle Anwesenden, die den Anblick der Kaiserin genossen hatten und von ihren Taten beglückt waren, wurden mittlerweile von dem beim Durchlauchtigsten als die vertraulichste Person geltenden Oberstleutnanten M. L. Falejew bewirtet; und die Feier war, wie man erzählte, beispiellos. Denn jeder stellte sich vor und war sogar davon überzeugt, daß Jekaterinoslaw zum Mittelpunkt der Macht und des Reichtums und der Volksaufklärung des ganzen südlichen Landes .wird, das wird das zweite Rom, das neue Athen sein. Dafür, daß es in Erfüllung geht, verbürgte sich das Genie des Fürsten Potjomkin.
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